Im Rahmen eines Video-Projekts hat sich die diesjährige Abschlussklasse der FOS B-Form interpretatorisch sehr genau mit selbst gewählten Textpassagen des dystopischen Romans Corpus Delicti aus der Feder von Juli Zeh auseinandergesetzt.
In drei Gruppen wurden zentrale Stellen der Romanhandlung verfilmt, wobei sich die Schülerinnen und Schüler unterschiedlicher kreativer Instrumente der Filmographie bedienten. Im Rahmen der freilich technisch nicht ganz idealen Möglichkeiten (ohne professionelle Mikrofone oder Kameraequipment, lediglich ausgestattet mit Smartphones und entsprechenden Videoschnitt-Apps), wurden nichtsdestotrotz spannende und einfallsreich gestaltete Videos erstellt. Einige Schülerinnen und Schüler entdeckten ihr ausgesprochenes Talent für das Schauspiel. Der teilweise tragische Stoff von Juli Zehs Roman konnte hierdurch gut in Szene gesetzt werden. So wurden beispielsweise zentrale Diskussionen zwischen der Protagonistin Mia Holl und ihrem Antagonisten Heinrich Kramer dargestellt. Die beiden Figuren verbindet eine an Hassliebe grenzende Beziehung und sie verkörpern im Laufe der Handlung konträre Wertesysteme: Emotion vs. Rationalität, Empathie vs. Kalkül, Freiheit vs. Absolutismus. Innerhalb der fiktiven Gesundheitsdiktatur, die Juli Zeh in Corpus Delicti erschafft, repräsentiert Kramer eine tragende Rolle in der sogenannten „Methode“, die alle Bürger ihrer absolutistischen Herrschaft und dem vermeintlichen Streben nach völliger Gesundheit unterjocht.
Mia, die anfangs systemtreu lebt und als Naturwissenschaftlerin der Rationalität verpflichtet ist, erlebt durch den Einfluss und letztlich durch den Verlust ihres Bruders Moritz (ein Freigeist und Gegner des Methodenstaats) eine emotionale Achterbahnfahrt, die ihre bisherige Welt auf den Kopf stellt und sie die Methode mit anderen Augen sehen lässt. Kramer demgegenüber bleibt stets kühl und souverän, selbst in der Szene, die das Romanende und Mias drohende Einfrierung zeigt. Die Verkörperung der unterschiedlichen Emotionen gelang der Klasse gut und gestalterische Mittel wie Erzählerstimmen aus dem Off, Musik und Zeitlupeneffekte verstärken die Aussagekraft der Videosequenzen zudem. Requisiten und Kostüme wurden angemessen eingesetzt, von Kramers eleganten Handschuhen über das wallende Haar der „idealen Geliebten“ bis hin zur „Tiefkühlkammer“ inklusive Nebeleffekt, schufen die Schülerinnen und Schüler zahlreiche Details, die die Videogestaltung bereicherten.
Ein tieferes Verständnis für das Innenleben der Romanfiguren sowie das Kennenlernen des Mediums Film konnten von den Schülerinnen und Schülern erreicht werden. Die Rolle des Konsumenten einzutauschen gegen die Rolle der Drehbuchautoren, Regisseure, Darsteller uvm., machte der Klasse sichtlich Spaß. Am Ende eines jeden Videos fügten die Gruppen Outtakes an, sodass trotz der mitunter negativen Stimmung in einer Szene jedes Video sprichwörtlich mit einem lachenden und einem weinenden Auge beschlossen werden konnte.
S. Blaurock