Zwischen Menschlichkeit und Schuld – Ein Interview mit Norbert Schall-Grootjans, Seelsorger der JVA Aachen.
Bericht einer Schülerin der Klasse 10M308 (Alia)
Am Freitag, 28. März 2025 hatten wir, die Azubis im ersten Lehrjahr zur/zum medizinischen Fachangestellten der Louise-Schroeder-Schule die Möglichkeit, Norbert Schall-Grootjans, den Seelsorger der Justizvollzugsanstalt Aachen (U-Haft und Haftanstalt für Männer) im Religionsunterricht digital zu interviewen. Während des Interviews wird schnell deutlich: Er ist ein Mensch mit Einfühlungsvermögen, klarer Haltung und Ruhe. Auch wenn das Gespräch in der gesamten Klasse stattfand, beruht der Artikel auf Fragen, die mir persönlich besonders wichtig waren.
Seit über 30 Jahren arbeitet Norbert Schall-Grootjans als Seelsorger in der JVA Aachen. Ich wollte wissen, ob das Gefängnismodell in Deutschland ein gesellschaftlicher Ballast ist. Schließlich kostet ein Gefängnisinsasse durchschnittlich 150 bis 200 Euro pro Tag. Er erklärte, dass jedes Bundesland eigene Regeln für den Strafvollzug aufstellt und es weltweit ganz unterschiedliche Gefängnismodelle gibt. Ob Inhaftierte für den Staat arbeiten, ist von Land zu Land verschieden – Urteile seien deshalb schwierig.
Als ich wissen wollte, ob er seinen Beruf aus reiner Nächstenliebe ausübt oder vielleicht auch ein Helfer-Syndrom hinter seiner Motivation steckt, erzählte Norbert Schall Grootjans von einer Begegnung zu Beginn seiner Berufung, die ihn bis heute prägt: Ein Mensch, der von außen ganz „normal“ wirkte und doch eine schwere Straftat begangen hatte. Seitdem beschäftigt ihn die Frage, wie viel Menschlichkeit trotz Schuld in einem Menschen steckt.
Auf meine Frage, ob ihm in 30 Jahren auch jemand begegnet ist, der durch und durch böse war, antwortete er klar mit einem „Nein.“ In jedem Menschen steckt Gutes. Vor einem Gespräch schaut er sich nur das Bild und die Haftdauer der Person an und nicht, was sie getan hat. Für mich war das schwer nachzuvollziehen. Ich fand es riskant und mutig. Vertrauen spielt in seiner Arbeit eine große Rolle.
Norbert Schall-Grootjans begleitet Inhaftierte seelsorgerisch, feiert Gottesdienste, hört zu und hat dabei auch eine therapeutische Wirkung. Obwohl er der Schweigepflicht unterliegt und keinerlei Informationen an Justizvollzugsbeamte oder Gerichte weitergeben darf, ist es ihm in seiner gesamten Laufbahn gelungen, Hinweise auf mögliche Suizide oder Gewalt frühzeitig zu erkennen und zu verhindern.
Trotz seiner Empathie bleibt er objektiv. Wenn eine Zusammenarbeit mit einem Insassen für ihn nicht mehr möglich ist, zieht er klare Grenzen und lehnt sie ab. Ich bin mir sicher, Norbert Schall-Grootjans ist eine echte Bereicherung für die Menschen in der JVA-Aachen.
Die Geschichten, die er hört, lässt er auf dem Heimweg auf der Autobahn hinter sich. Seine Arbeit bleibt dort, wo sie hingehört – im Gefängnis.